Das Projekt mit dem Titel ,,Identifizierung und dauerhafte Dokumentation des Kultur-, Landschafts- und Siedlungsgedächtnisses der Gemeinde – am Beispiel von verschwundenen Siedlungen in Mähren und Schlesien (DG18P02OVV070)“ wird durch das Kulturministerium der Tschechischen Republik unterstützt. Allgemein bildet das Projekt eine Verbindung zwischen historischer und landschaftsökologischer Erforschung der Entwicklung von Landschafts- und Siedlungsstrukturen in ausgewählten Gebieten; konkret handelt es sich um eine „MODERNE GEMEINDECHRONIK“ (siehe unten).

Den Forschungsschwerpunkt des Projekts bilden die im Zeitraum zwischen 1945 und 1989 physisch verschwundenen Siedlungen. Zu diesem Verschwinden von Siedlungen kam es entweder in Folge von Funktionsveränderungen des Gebietes (z. B. Bau eines Stausees, Errichtung eines Truppenübungsplatzes, Bergbau, Bau eines Kernkraftwerks), oder als Folge von „natürlicher“ Entwicklung, oft in Kombination mit unbesiedelten Gemeinden infolge der Vertreibung der Deutschen. Die Forschung konzentriert sich auf die Analyse der Bedingungen, welche das Verschwinden von Siedlungen in den betroffenen Gebieten beeinflussten.

Das Projekt reagiert auf das allgemeine Phänomen des Verschwindens von Zeugnissen der tschechischen Kulturlandschaft, die im Laufe mehrerer Nachkriegsjahrzehnte von einem radikalen Wandel betroffen war, und befasst sich mit der Rolle der Landschaft im historischen Gedächtnis der hiesigen Bevölkerung. Für die Dokumentation und Präsentation dieses Phänomens wurden verschwundene Siedlungen ausgewählt, die als ein charakteristischer Ausdruck der Nachkriegstransformation der tschechischen Landschaft und gleichzeitig als Raum, der eine wichtige Funktion der Erinnerungsorte erfüllt, verstanden werden können. Das Projekt basiert auf der Notwendigkeit, den Verlust von materiellem und insbesondere immateriellem Kulturerbe durch Identifikation, Dokumentation und Rekonstruktion des Bildes der Landschafts- und Siedlungsstruktur, welche im menschlichen Gedächtnis und in anderen historischen Quellen festgehalten ist, zu lindern und somit das Kulturerbe dauerhaft aufzuzeichnen, zu bewahren und für zukünftige Generationen zugänglich zu machen.

Ein bedeutender Bestandteil der Forschung bildet die Arbeit mit Zeitzeugen, mit welchen ausführliche Interviews durchführt werden. Ausgewählte Zeitzeugeninterviews werden in Form von Audioaufnahmen aufgezeichnet und anschließend durch Bildmaterial (Videoaufnahmen, aktuelle Fotos und historische Fotos des Gebiets) und graphische Unterlagen (2D-Landkarten der Entwicklung der Landschaftsstruktur und 3D- Siedlungsmodell im Kontext der umliegenden Landschaft, rekonstruiert auf der Grundlage von historischen Quellen, einschließlich zeitnaher Chroniken und Zeitzeugenaussagen) ergänzt. Die erwähnten Projektergebnisse werden als „MODERNE GEMEINDECHRONIK“ verarbeitet (siehe unten).

Für eine ausführlichere Erforschung und Schaffung einer ,,MODERNEN GEMEINDECHRONIK“ für konkrete Siedlungen wurden auf Grundlage der untersuchten Quellen und Pilotstudien die Gebiete der Bezirke Bruntál (Freudenthal), Jeseník (Freiwaldau) und Šumperk (Mährisch Schönberg) ausgewählt. Nach einer detaillierten Bewertung der territorialen und historischen Zusammenhänge wird eine engere Auswahl von sechs Fallstudien (verschwundener Siedlungen), welche einzelne Mikroregionen repräsentieren, durchgeführt.

 

Das Projekt wird vom Kulturministerium der Tschechischen Republik für die Jahre 2018–2022 unterstützt.

Projektträger sind folgende drei Institutionen:

 

 

MODERNE GEMEINDECHRONIK

„Moderne Gemeindechronik“ ist eine Ausführung und Konkretisierung der gesetzlichen Verpflichtung zur Führung einer Gemeindechronik (Gesetz 132/2006 Slg., Über Gemeindechroniken). Das Konzept der „Modernen Gemeindechronik“ (MGCh) basiert auf der Erfassung des verschwindenden Zeugnisses der tschechischen Kulturlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und seiner späteren Transformationen. Das Hauptziel der MGCh liegt darin, das frühere Landschaftsbild für zukünftige Generationen zu bewahren und aktiv zu vermitteln. Das Grundprinzip besteht darin, das Landschaftsbild, so wie es im Gedächtnis (sowohl in eigenen als auch vermittelten Erinnerungen) der lokalen Bevölkerung gespeichert ist, zu dokumentieren.

„Moderne Gemeindechronik“ ist ein Dokument, das Text-, Bild- und Tonaufnahmen der Mentalbilder von historischen und zeitgenössischen Landschaftsstrukturen und von Werten der Landschaft enthält. Mit dem mentalen Gedächtnis der Landschaft ist das Landschaftsbild in den Erinnerungen der lokalen Bevölkerung gemeint. Die Projektergebnisse können in Form von Multimedia-Trägern oder einer Webseite erfolgen, welche durch Audioaufnahmen von Zeitzeugeninterviews und Bildmaterial (Fotos und Videos), das sich auf mündlich beschriebene Orte oder Ereignisse bezieht, ergänzt werden können. In Bezug auf die Landschafts- und Gesellschaftsentwicklung ist der historische Kontext hauptsächlich auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fokussiert, der Zeitraum kann aber entsprechend den spezifischen Anforderungen der Gemeinde angepasst werden.

Der Hauptzweck der „Modernen Gemeindechronik“ liegt darin, die verschwundenen Zeugnisse der tschechischen Kulturlandschaft im letzten Jahrhundert, die in den Erinnerungen der Einwohner festgehalten wurden, zu identifizieren, zu analysieren und dauerhaft zu dokumentieren und sie somit zum Kulturerbe der Gemeinde zu machen.

Das sekundäre Ziel besteht darin, auf die Unwiederbringlichkeit des verschwindenden Zeugnisses der tschechischen Nachkriegslandschaft aufmerksam zu machen, selbstverständlich im Hinblick auf die dezidiert subjektive Wahrnehmung dieses Bildes durch die Erinnerungsträger. Aus diesem Grund zielt der methodische Ansatz nicht darauf ab, das reale Bild der historischen Landschaft zu vermitteln. Seine Ergebnisse sind aber neben der dauerhaften Bewahrung einer neuen Art von Landschaftsinformationen als Grundlage für die Landschafts-, Raum- und Strategieplanung auf lokaler Ebene nutzbar.

Das Konzept der „Modernen Gemeindechronik“ richtet sich an alle Akteure der kommunalen Entwicklung auf lokaler und mikroregionaler Ebene. Es ist jedoch in erster Linie für Bürgermeister als Anreger des Gemeinschaftslebens gedacht, kann aber auch von Exekutivorganen der kooperierenden Strukturen (z. B. lokalen Aktionsgruppen, Mikroregionen und freiwilligen Gemeindeverbänden), lokalen Schulen, Kulturvereinen und gemeinnützigen Organisationen und nicht zuletzt Bürgern genutzt werden

Projektziele

  • Schaffung einer Datenbank von verschwundenen Siedlungen zwischen 1945 und 1989 auf dem Gebiet Mährens und Schlesiens,
  • Analyse und Bewertung gegenwärtiger Funktionen von verschwundenen Siedlungen in der Landschaft und Gesellschaft,
  • Visualisierung verschwundener Siedlungen in einer zusammengefassten Landkartenunterlage,
  • Detaillierte Visualisierung von Veränderungen der Siedlungs- und Landschaftsstruktur in ausgewählten Mikroregionen,
  • Schaffung einer sog. Modernen Gemeindechronik für ausgewählte Fallstudien von verschwundenen Gemeinden,
  • Entwicklung einer Webapplikation „Moderne Gemeindechronik“ mit universeller Nutzung für alle Gemeinden,
  • Entwicklung einer zertifizierten Methodik zur Präsentation der verschwundenen Siedlungen des tschechischen Grenzgebietes in Ausstellungen und Museumsexpositionen,
  • Auswertung lokaler Sammlungen und Archivquellen aus regionalen Museen, Bezirksarchiven usw.

 

Hauptergebnisse des Projektes:

  • Interaktive Landkarte der verschwundenen Siedlungen in Mähren und Schlesien, einschließlich grafischen und textlichen Materials,
  • Teilkarten der Veränderungen der Landschaftsstruktur,
  • Audiovisuelle Dokumentation der Landschafts- und Gesellschaftsentwicklung in ausgewählten verschwundenen Siedlungen („Moderne Gemeindechronik“) aus ausgewählten Mikroregionen,
  • Webapplikation „Moderne Gemeindechronik“, die es allen Gemeinden ermöglicht, ihre eigene audiovisuelle Dokumentation über die Entwicklung der Gemeinde zu erstellen,
  • Wanderausstellung in Regionen und zertifizierte Methodik zur Präsentation der verschwundenen Siedlungen,
  • Konferenzen und Fachworkshops,
  • Wissenschaftliche Publikation,
  • weitere Publikationstätigkeit.

Forschungsteam

Mgr. Ing. Hana Vavrouchová, Ph.D.

Hauptprojektleiterin, arbeitet an der Mendel-Universität in Brno.

Im Rahmen des Projekts ist sie für die Koordinierungsaktivitäten zuständig, sie verbindet die Ergebnisse aller Projektteilnehmer. Überdies ist sie für die konzeptionelle und inhaltliche Grundlage der „Modernen der Gemeindechronik“ in Fallstudien und Webanwendungen verantwortlich und beteiligt sich an den Feldforschungs-, Organisations- und Publikationsaktivitäten.

 

Doc. RNDr. Antonín Vaishar, CSc.

Mitglied des Forschungsteams der Mendel-Universität in Brünn.

Im Projekt ist er als methodischer Garant für Fragen der demographischen Entwicklung und Interpretation von Veränderungen in der Siedlungsstruktur tätig. Er beteiligt sich an Feldforschungs-, Organisations- und Publikationsaktivitäten.

 

Ing. Tomáš Mašíček, Ph.D.

Mitglied des Forschungsteams der Mendel-Universität in Brünn.

Im Projekt ist er für die Erstellung der kartographischen Darstellungen, welche Veränderungen in der Siedlungs- und Landschaftsstruktur in ausgewählten Mikroregionen auf aktuellen und historischen Landkarten visualisieren, verantwortlich. Er beteiligt sich an Organisations- und Publikationsaktivitäten.

 

Ing. Veronika Peřinková

Mitglied des Forschungsteams der Mendel-Universität in Brünn.

Im Rahmen des Projekts beteiligt sie sich an Organisations- und Publikationsaktivitäten, führt Feldforschung durch und analysiert Landschaftsstrukturveränderungen.

 

Mgr. David Kovařík, Ph.D.

Projektleiter im Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik

Im Rahmen des Projekts ist er für Archivforschung, Literaturrecherchen, sowie für die Erstellung einer Datenbank der verschwundenen Siedlungen und Zeitzeugeninterviews verantwortlich. Garantierte Projektergebnisse sind die Datenbank der verschwundenen Siedlungen in Mähren und Schlesien sowie zertifizierte Methodik für die Ausstellungstätigkeit der verschwundenen Siedlungen. Er ist maßgeblich an den Publikationstätigkeiten innerhalb des Projekts beteiligt.

 

PhDr. Helena Nosková, CSc.

Mitglied des Forschungsteams des Instituts für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik

Im Projekt ist sie für Archivforschung, Literaturrecherchen, Feldforschung und Kooperation mit regionalen Gedächtnisinstitutionen verantwortlich. Sie garantiert die Vorbereitung von Ausstellungen und Museumsexpositionen, einschließlich eines kritischen Kataloges. Sie ist maßgeblich an der Erstellung einer zertifizierten Methodik und den Publikationstätigkeiten innerhalb des Projekts beteiligt.

 

PhDr. Petr Bednařík, PhD.

Mitglied des Forschungsteams des Instituts für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik

Im Projekt beteiligt er sich an Archiv- und Feldforschung, Literaturrecherchen, Vorbereitung von Ausstellungen und Museumsexpositionen, einschließlich eines kritischen Kataloges und Publikationstätigkeiten.

 

Mgr. Barbora Čermáková

Mitglied des Forschungsteams des Instituts für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik

Im Rahmen des Projekts ist sie für die organisatorische und administrative Arbeit verantwortlich, beteiligt sich an der Feldforschung und Zeitzeugeninterviews sowie an der Zusammenarbeit mit regionalen Gedächtnisinstitutionen und der Vorbereitung von Ausstellungen wie auch Museumsexpositionen.

 

Mgr. Lukáš Pevný

Projektleiter im Team der Masaryk-Universität.

Im Projekt ist er für die Bearbeitung der Projektergebnisse im Bereich Computergrafik und Grafikdesign verantwortlich.

 

MgA. Helena Lukášová, ArtD.

Mitglied des Forschungsteams der Masaryk-Universität.

Im Projekt ist sie für die 3D-Visualisierung, 3D-Modellierung und den Druck verantwortlich.

Projektergebnisse